“Hast du schon mal von Bots gehört?” Nun, leider kenne ich die Leserschaft unserer Blogs nicht so gut, aber ich würde mal behaupten, dass mindestens die Hälfte schon mal von Bots gehört hat. Der Hype ist definitiv da und gerade wir als Digital Studio, welches hauptsächlich Apps herstellt, hören natürlich ein zweites Mal hin, wenn es heisst: “Bots will kill the Apps”.
WAS IST EIN BOT?
Diese Frage stellte ich Tobias, Android App Entwickler bei Apps with love und erhielt folgende Antwort:
Das Wort Bot leitet sich von Robot ab und steht für ein selbständiges laufendes Programm, welches einmal initiiert werden muss und dann sein Dienst weitestgehend automatisch und wiederholend erledigt ohne dabei auf eine Interaktion mit einem menschlichen User angewiesen zu sein. Bots werden schon seit geraumer Zeit überall verwendet. Die bekanntesten Beispiele sind Webcrawler von Internet-Suchmaschinen, die selbstständig Webseiten besuchen und auswerten. In Computerspielen gibt es computergesteuerte Akteure, die die Rolle von menschlichen Spielern übernehmen. Diese “Spieler” sind nichts anderes als ein Bot. Diese Arten gehören zu den “gutartigen” Bots, im Gegensatz zu diesen gibt es die “bösartigen”, welche beispielsweise E-Mail-Adressen im Netz sammeln für Werbezwecke oder systematisch Softwarelücken von Servern ausspionieren.
KURZBESCHRIEB: WIE FUNKTIONIERT EIN CHATBOT
Ein Chatbot ist ein Programm innerhalb einer Messaging App wie Facebook Messenger, Whatsapp, oder WeChat mit dem man sich unterhalten kann (mal besser, mal eher weniger gut). Mit der Bot Engine für Facebook Messenger können eigene Bots erstellt und diese über den Messenger an die Nutzer gebracht werden. Messenger Benutzer fügen einen Bot als Kontakt hinzu und können ab diesem Zeitpunkt mit diesem Bot kommunizieren und mittlerweile sogar direkt über den Bot Produkte bezahlen. Für den Facebook Messenger gibt es bereits über 30.000 Bots (Quelle Techcrunch). Aufgrund einer Texteingabe (oder Sprechtext) des Users, welche der Bot kennt, meldet sich dieser direkt im Conversational Interface/Chat. Was danach geschieht kommt sehr auf den Bot an. Ein aus meiner Sicht gutes Beispiel eines Bot ist der 911 Bot.
WIESO DIESER HYPE?
Ich sehe vor allem folgende Hauptgründe für diesen Hype:
mehr Nutzung von Messenger Apps als Social Media Apps (siehe Grafik)
neue Möglichkeiten und die Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) sowie Machine Learning und Sprachsteuerungstechnologien.
weil Microsoft und Facebook fast unisono Bots als “das neue Ding” beschreiben und gerade Facebook damit viel Geld verdienen möchte.
EIN PAAR FAKTEN ZU BOTS
Joseph Weizenbaum entwickelte Liza, die Mutter aller Chatbots vor rund 50 Jahren.
Bots mit künstlicher Intelligenz (AI-Bots) gibt’s noch nicht so lange und sind wohl einer der Gründe für diesen Hype.
Auch AI Chatbots sind heutzutage noch sehr sehr limitiert und nicht wirklich intelligent. Zum Beispiel der Bot Tay von Microsoft, welcher durch künstliche Intelligenz eigentlich ein kritisch denkender Bot werden sollte, aber in kürzester Zeit zum idiotischen Nazi und Frauenfeind mutierte.
Es gibts bereits über 30'000 Facebook Bots (Stand Sept. 2016)
Inhalte und Funktionalitäten, welche mit Bots ausgeführt werden können sind (noch) sehr limitiert. Eine App kann einem User komplexe Inhalte und schönes visuelles Design anzeigen, währenddessen der Chatbot auf die Möglichkeiten innerhalb einer Messaging App im Rahmen des Conversational Interfaces beschränkt ist.
MÖGLICHE VORTEILE VON BOTS GEGENÜBER APPS
Bots können schneller und billiger entwickelt werden
Bots müssen nicht heruntergeladen werden. Der Nutzer hat sofort Zugang zu den Dienstleistungen des Bots innerhalb von Messaging Apps.
Kein Login oder Registrierungsprozess wie bei vielen Apps
“Artificial Intelligence (AI)” und Machine Learning werden sich rasch weiterentwickeln und können so auch die Möglichkeiten und Smartness von Bots exponentiell erhöhen.
MÖGLICHE NACHTEILE UND HERAUSFORDERUNGEN VON BOTS
Messaging Apps könnten von Bots rasch überflutet sein, wodurch die echten User verdrängt werden. Auch gibts bereits zig Millionen Bots, welche als Fake-Followers zum Beispiel "Mr. Trump" auf Twitter folgen und damit soziale Netzwerke unglaubwürdig machen.
Die Computerlinguistik (Natural Language Processing), eine wichtige Komponente eines schlauen Bots ist noch nicht ausgereift. Auch sind die meisten User in unserer Kultur “noch” nicht gewillt, mit ihren Smartphones im öffentlichen Raum zu sprechen.
Sind wir wirklich alle gewillt, unsere privaten Angaben mit Facebook, Whatsapp und anderen Bot-Herstellern zu teilen, damit diese auch wirklich lernen und besser werden können? Wie sieht es generell mit Bots und der Datensicherheit aus?
Was passiert wenn Bots gehackt werden?
Viele Bots werden um die gleichen “Keywords” und Kontexte kämpfen, in denen sie beim User erscheinen (oder nicht?) und es wird dann wohl ähnlich wie bei Google nach Relevanz (oder nach Bezahlung) gefiltert.
Damit Bots wirklich schlau werden können, müssen sie wie eine Datenkrake mit Informationen über mich gefüttert werden. An wen diese Informationen dann gehen, ist nur schwer zu erdenken. Wahrscheinlich müsste ich vor dem Gebrauch eines Bots die AGBs dazu noch akzeptieren, oder wir nehmen automatisch via AGBs des Messenger Apps auch alle Datenschutzbestimmungen der Bots an.
Möchte ich wirklich so viele Konversationen mit Maschinen anstatt mit Menschen führen?
Wer entscheidet dann, welche Anbieter die Pizza liefern können, welche ich bei Amazon Alexa mit einem einfachen Sprachbefehl bestellen kann? Die Macht der Plattformanbieter wird durch Bots steigen und es könnte sein, dass sich kleinere und mittlere Unternehmen gar keine Präsenz in den Conversational Interfaces leisten können.
WIE KÖNNTE SICH DAS LEBEN DURCH BOTS VERÄNDERN?
Die Welt der Apps für jedermann existiert nun seit rund sieben Jahren und ist in dieser Zeit extrem schnell gewachsen – es gibt rund 1.5 Mio respektive 1.6 Mio Apps im Apple App Store und Google Play Store. Es gibt eigentlich eine App für fast jedes Bedürfnis, könnte man denken. Der Markt der Apps wächst jedoch immer noch und wird nicht so schnell verschwinden. Damit die digitale Transformation von Unternehmen in fast jeder Branche funktioniert, werden sehr viele schlaue Apps und zukünftig auch Bots entwickelt. Was viele Nutzungs- und Downloadstatistiken jedoch zeigen, ist eine gewisse App Download Fatigue (Download-Müdigkeit) und, dass die Nutzer die allermeiste Zeit in durchschnittlich nur fünf Apps verbringen. Mindestens eine dieser fünf Apps ist eine Messaging App, weshalb diesen besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Gerade die Millenials (Zielgruppe) haben grundlegend andere Nutzungsgewohnheiten von Smartphones und Apps als die Digital Immigrants. Millennials kommunizieren sehr stark über Messenger Apps. Die App-Industrie hat nun mit Chatbots ein riesiges neues mögliches Geschäftsfeld gefunden. Die Argumente dafür liegen klar auf der Hand: besser Angebote, Services, und Hilfestellungen dort anbieten, wo die Kunden sich schon am liebsten befinden, als sie zum Download einer App zu zwingen.
WIE SIEHT DIE ZUKUNFT VON BOTS AUS?
Wie die Zukunft von Bots aussehen wird, werden letztlich die Enduser entscheiden. Ich denke, dass sich Bots zuerst ein bisschen in Conversational Interfaces (in den Chats) entwickeln und später dann in alle möglichen Smart Devices integriert werden. Nehmen wir als Beispiel Alexa von Amazon. Dieser “Bot” ist zwar auch noch voller Fehler, aber kann wirklich behilflich sein und ich brauche dafür kein Whatsapp oder Facebook Messenger zu öffnen. Die Entwicklung von Chatbots wird je nach Kultur verschieden verlaufen. In einigen Länder wie Japan zum Beispiel, sind sich die Menschen bereits gewohnt mit Maschinen zu sprechen und mieten sich gerne auch mal ein RoBOTer, welchen mit ihnen über ihre Sorgen spricht und etwas "Liebe" schenkt. Gewohnheiten, welche wir hier in Europa noch nicht in diesem Ausmass kennen. Nehmen wir die futuristische Variante vom Film “her” mit den Operating Systems (OS), welche sich jeder Mensch kaufen kann. Solche OS sind nichts anderes als Bots und könnten je nach Intelligenz und Lernfähigkeit unsere neuen Alltagsbegleiter werden. Mein "Virtual Personal Assistant" Bot, welcher mich und meine Vorlieben immer besser kennenlernt und somit zu einer/m echt guten 7x24h Assistenten (oder sogar Freundersatz?) werden kann, wird es schon bald geben. Chatbots werden sicherlich nicht alle, aber einige Apps ablösen. Vor allem werden Bots jedoch Apps ergänzen und erweitern. Wenn ich eine Pizza bestellen möchte, kann ich dies in Zukunft zwar direkt im FB oder Whatsapp Messenger Interface tun, aber komplexe Funktionen wie z.B. Augmented Reality Inhalte innerhalb eines Conversational Interfaces machen nicht all zu viel Sinn. Chatbots werden User oftmals zu anderen Anwendungen führen, welche für komplexere Angelegenheiten gebaut wurden.
Ein guter Beitrag zur Transformation vom Digital- zum Algorithmic-Business durch ABC-Technologien findest du bei Gartner.
EINSATZGEBIETE FÜR BOTS
Ja, Bots sind eine grosse Sache, haben viel Marktpotenzial und können dem User viele Interaktionen und Services direkt in einem Conversational Screen (in einem Chat) ermöglichen. Damit bieten sie Unternehmen einen neuen sehr direkten Kanal zur Zielgruppe, welche sich bereits in Chats befindet. Ein Ersatz für alle Apps werden sie jedoch nicht werden. Gewisse Dienste wie den oben genannten Rettungsdienst (911) aber auch Ferienbuchung, Wetter, News (CNN Bot, Wall Street Journal Bot, Quartz), Rechtsdienste, Terminverwaltung, u.v.m. haben bereits oder werden in naher Zukunft sicherlich sehr gute Bots anstatt oder in Kombination mit Apps für ihre Services entwickeln. Ein paar weitere Einsatzgebiete:
IM RETAIL BUSINESS
Personalisiertes Verkaufserlebnis und perfekte Beratung innerhalb von Chats direkt durch die Bots. Es können Keywords durch Retailer gekauft werden ganz ähnlich wie bei Google Adwords und sobald ein User ein Keyword eingibt, meldet sich der entsprechende Bot mit seinem Angebot.
SOZIALE BOTS
Du könntest für die Planung der gemeinsamen Ferien mit ein paar Freunden ein sozialen Bot als Koordinator/in engagieren. Dieser Bot würde die Gruppe mit Infos, Optionen und Abstimmungs-Themen bedienen und der gesamten Gruppe damit viel Aufwand für die Planung und Koordination abnehmen.
LOKALE SERVICES VIA BOTS
Lokale News, Infos zu Schulferien, Anlässen oder Alarme oder auch lokale Handwerksarbeiten könnte man easy mit einem Bot abhandeln.
MEDTECH
Bots werden bald ein Genesungsverlauf oder auch via Iris-Scan deine Gesundheit respektive Verfassung sehr genau bestimmen können und dir dementsprechend genau beratend zur Seite stehen. Ein MedTech Beispiel ist auch in China zu finden: Baidu hat einen Gesundheitsbot entwickelt.
BOT-ASSISTENTEN AUF EINER WEBSITE
Dank Bots eine vereinfachte Suche in komplexen Inhalten. Die Userin kann ihre Frage stellen und der Bot führt sie mit Auswahloptionen und Nachfragen zur gewünschten Lösung. Anstatt Navigation und Einfeld-Suche könnte das Prinzip der strukturierten Suche und Filter als Dialog umgesetzt werden.
MEIN PERSÖNLICHER AI BOT (MEIN PERSÖNLICHES AI OPERATING SYSTEM)
Ein Bot, welcher mich im Alltag begleitet, jederzeit erreichbar über die neuen Wireless Kopfhörer und fähig meine Bedürfnisse, Vorlieben, Tagesabläufe, Gesundheit, etc. immer besser kennen zu lernen und mich somit immer besser beratet. Termine werden koordiniert, Mails vorgelesen, Ferien gebucht und die Lieblingssongs je nach meiner Stimmung optimiert.
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ UND SMARTNESS, DIE ECHTEN TRENDS
Ein Hauptgrund für den Hype von Bots liegt jedoch vor allem in einem anderen Mega-Trend und dies ist klar künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) und die damit verbundenen Möglichkeiten des “Machine Learning”. AI Technologien werden definitiv die Industrie 4.0 definieren und machen die Internetwelt (IoT) erst richtig Smart. Diese neue Smartness dank AI wird sich jedoch sicherlich nicht nur in Bots sondern in ganz vielen Applikationen wiederfinden und diese teilweise revolutionieren. Leider stehen wir hier noch ganz am Anfang. Wieso wird dies die Welt revolutionieren? Weil Programme nicht mehr nur tun, was der Mensch ihnen zuvor beigebracht hat. Durch künstliche neuronale Netzwerke können diese AI-Programme nun selbst lernen, Erfahrungen sammeln, trainieren und daraus sogar eigene Schlüsse ziehen! Ein künstliches neuronales Netzwerk (KNN) ist eine Abstraktion der Informationsverarbeitung, die im Gehirn und im Nervensystem der Menschen existiert. Die physiologischen Vorgänge werden dabei nicht nachgebaut, sondern es wird nur versucht, die Architektur des Gehirns nachzuahmen.
Das künstliche Netzwerk lernt somit Regeln und wird dann sogar auch die Ausnahmen von diesen Regeln lernen, ohne dass diese Regel durch einen Programmierer jemals so definiert worden wäre. Smartness - das ist die echte Revolution welche vor uns steht - nicht per se Bots. Dass dies bereits bis zu einem gewissen Punkt möglich ist, bewies die Google Software Alpha Go, welche dem GO Weltmeister das fürchten lehrte. Go ist ein extrem komplexes Spiel, welches unendlich viele Regeln und Möglichkeiten kennt was eine reine Programmierung wie dies beim Schach noch möglich war verunmöglicht. Das dies funktioniert hat der AlphaGo geschafft und bewiesen.
HYPE ODER NÜTZLICHE HELFER?
Nun, wie bereits erwähnt sind heutige AI-Bots noch sehr beschränkt und nicht mal die Marktführer kriegen es richtig hin einen superschlauen Bot zu entwickeln. Es ist definitiv ein Hype und die Ernüchterung steht kurz bevor. Die Möglichkeiten und dank der raschen technologischen Entwicklungen werden sehr intelligente Bots in verschiedensten Bereichen einen echten Mehrwert im Kontext bieten. Diese Bots werden oftmals mühsame Tätigkeiten für uns übernehmen können und damit als nützliche Helfer dienen. Bei uns intern testen wir Anwendungsmöglichkeiten von Bots auch innerhalb von Apps und werden euch zu diesem Thema auf dem Laufenden halten. Was denkt ihr über Bots? Hype oder nützliche Helfer? Wir freuen uns jederzeit auf Feedback.
WEITERFÜHRENDE LINKS ZUM THEMA BOTS
Apps with love Pinterest Wand zum Thema Bots, AI und Conversational Interfaces
Analyse zu Bots auf Mashable
Guter Blog Beitrag von Zeix über Conversational Interfaces
Kritische Sicht auf Chatbots auf retailcustomerexperience.com
Building a Conversational Bot: From 0 to 60