Stay home we're open - Wie Geschäfte kreativ die Krise meistern

17. April 2020 - von Till Könneker

Mir ist bewusst, dass viele leiden, arbeitslos wurden oder werden könnten, oder sogar liebe Menschen verloren haben. Trotzdem möchte ich mich in diesem Artikel auf die Chancen und möglichen positiven Auswirkungen der Krise für das Kleingewerbe fokussieren. 

Eine weltweite Situation wie die aktuelle Pandemie fördert neben vielen Problemen auch Kreativität und ein Umdenken auf verschiedensten Ebenen. Die digitale Transformation wird um ein Vielfaches beschleunigt und kann eine grosse Chance für die Zukunft sein. Denn es wird kein "back to normal" geben sondern nur ein "back to the future" ;) 

Digital Services

Viele kleinere und grössere Unternehmen entdecken nun, dass sie auch digital arbeiten können. Damit meine ich nicht Agenturen und Tools, die sowieso im digitalen Umfeld tätig sind, denn für die ist die aktuelle Lage nicht so eine grosse Herausforderung, sondern von Yogastudios, Psychotherapie Praxen oder lokalen Läden. Irgendwann werden sie wieder öffnen aber vermehrt digitale Beratungen oder virtuelle Produkte anbieten. So besteht sogar die Möglichkeit die Zielgruppe zu erweitern, da lokale Betriebe bisher auf Kundschaft in der unmittelbaren Nähe angewiesen waren und jetzt teilweise global agieren können. Wir sehen das bei Museen die nun virtuelle Führungen anbieten an denen Leute teilnehmen, die sonst vielleicht nie die Gelegenheit hätten, das Museum physisch zu besuchen. Hier bieten sich noch unendliche Möglichkeiten, beispielsweise auch im touristischen Bereich mit virtuellen Stadtführungen.

Das Museum für Kommunikation in Bern macht regelmässig Live-Führungen und auch GEO hat eine Liste von Museen zusammengestellt, welche virtuell besucht werden können.

Fazit: Online Services bindet die bestehende Kundschaft aber ermöglicht es zusätzlich, eine neue, sonst nicht zugängliche Zielgruppe zu erreichen. Dies wird wohl auch nach dieser speziellen Zeit weiter ausgebaut.

Virtuelle Tour im Museum für Kommunikation
Das Museum für Kommunikation in Bern macht virtuelle Touren

Die Stunde der Lokalen Angebote

So ein Ereignis wirkt als Beschleuniger bereits vorhandener Trends. Auch das Einkaufen bei lokalen Produzenten wird sich noch verstärken, da kurze Wege nun ein grosser Vorteil sind. Die Betriebe müssen sich noch was einfallen lassen wie sie eine schnelle und möglichst CO2 neutrale Lieferung ermöglichen können. Hier wäre wohl eine gemeinsame Lösung mit anderen Betrieben sinnvoll. Eine Plattform für regionale und nationale Händler und Hersteller auf der sie ihre sonst nicht immer leicht auffindbaren Produkte anbieten können, wäre jetzt wichtiger denn je. Leider wurde die in der Schweiz von Coop lancierte Plattform SIROOP zu schnell wieder eingestellt. Dort konnten lokale und kleinere Geschäfte auf einer zentralen und professionellen Plattform ihre Produkte anbieten. Zum Glück gibt es aber spannende Alternativen wie GRUNDSTOCK die grundlegende Produkte von Lokalen Anbietern nach Hause liefern. Auch Gärta bringt saisonale Pflanzen-Kistchen von regionalen Gärtnereien direkt nach Hause. Solche Plattformen gibt es immer mehr man muss sie nur finden.

Foto: GRUNDSTOCK, Biohof Heimenhaus

Bringen oder verschicken

Vieles lässt sich nicht digitalisieren und so werden Läden nun zum Umdenken gezwungen, da niemand mehr in die Läden kommen kann. Wichtig ist nun, einen passenden Lieferservice zu etablieren. Kuriere für lokale Lieferungen und Postsendungen für grössere Distanzen. Auch hier werden Betriebe ihre Gewohnheiten ändern müssen, um weiterhin Waren verkaufen zu können. Aber auch hier bietet dies grosse Chancen. Auch der kleine Hofladen kann die Umsätze mit einem kleinen Onlineshop oder Bestellformular und einer digitalen Zahlungsanbindung steigern, wie dieses schöne Beispiel auf Twitter zeigt:

Fazit: Lokale und kleinere Geschäfte haben nun eine Chance, in die Zukunft zu investieren. Sei es mit einem verbesserten Lieferangebot, durch Zusammenarbeiten mit anderen Geschäften, in der Vertiefung der Kundenbeziehung oder im Optimieren der Social Media Kommunikation. Für uns als Konsumenten gilt es immer vorher zu überlegen, ob das benötigte Produkt nicht auch lokal bezogen werden kann.

Think Different

Eine zündende Idee kann alles verändern. Es braucht oft nicht viel, um sich von anderen zu differenzieren und den Kunden ein neuartiges Erlebnis zu bieten. Gerade wenn alle zuhause sind, sehnen wir uns nach Abwechslung und Überraschungen.
Klar, wer schon eine starke Kunden Community hat wird vielleicht einfach durch die Umstellung auf Homedelivery bereits Erfolg haben. Andere müssen sich etwas einfallen lassen. Folgend stelle ich zwei Beispiele vor, die mir besonders gut gefallen haben.


Goat 2 Meet

Eine Farm und Tierheim in Kalifornien bietet für 100$ eine Ziege oder ein Lama an, welche für 10 Minuten an deinem Konferenz Call teilnimmt und allen Spass und Freude bringt. Diese etwas verrückte Idee hat sofort eingeschlagen und so haben ihre Tiere bereits an hunderten Video Calls auf der ganzen Welt teilgenommen. Dies hat der Farm ermöglicht, trotz rückläufigen Verkäufen ihre Unkosten zu decken.
Link: https://www.sweetfarm.org/goat-2-meeting

Groovy Food

Wegen der Krise nun stillgelegte Musiker liefern Essen aus und bringen den Gästen vor der Haustüre zusätzlich noch einen Song mit, den sie gleich live performen. 

Maze Künzler, Gitarrist bei "Tomazobi" und der Too Late Show Band "The Retards".

Die Betreiber einer kleinen Beiz in Bern standen vor dem Nichts, da von einem Tag auf den anderen kein Gast mehr kommen konnte. Auch ein Crowdfunding blieb erstmal erfolglos. Der glückliche Umstand, dass der Gründer und Koch Tevfik Kuyas auch ein begnadeter Musiker ist, führte zu dieser Idee. 
Aus einer einfachen Lieferung wird ein besonderes Erlebnis welches sofort durch Social Media wieder neue Kunden anzieht. Die Musiker haben Auftritte und liefern gleichzeitig Essen aus.

Gutscheine - Zahlen für zukünftige Leistung

Dieser Ansatz hat viel mit Vertrauen zu tun aber es ist eine einfache und für das Geschäft hilfreiche Massnahme. Betriebe die wegen einer Ausnahmesituation ihr Geschäft nicht ausüben können, haben ein Liquiditätsproblem, bei dem Gutscheine helfen können. Klar kann man sagen, man zahlt nicht für Leistungen die vielleicht nie eingelöst werden können da der Betrieb womöglich pleite macht, doch gerade dies kann durch diese Massnahme vielleicht verhindert werden. Dieser Wert ist um ein Vielfaches Höher als der mögliche Verlust eines Gutscheins. 

Wir haben dieses Vorauszahlen für Leistung schon eine Weile, beispielsweise beim Crowdfunding. Es ist zu hoffen, dass wir auch in anderen Bereichen mutiger werden, Leistung im Voraus zu bezahlen, so wie wir es bei unserem Netflix Abo ja auch machen. In der darbietenden Kunst (Theater, Konzert...) könnte das der Produktion den Druck wegnehmen allein auf öffentliche Gelder angewiesen zu sein, die womöglich nie kommen.

Fazit: Für Betriebe wie Coiffeur, Massage, Physio und so weiter die nicht via Video Call funktionieren sind Gutscheine eine gute Möglichkeit, um über die Runden zu kommen und auch die zukünftige Auslastung besser zu planen. Gleichzeitig kann diese Massnahme die Kundenbeziehung vertiefen. 

Flexibilität im Angebot

Wie schnell sich die Realität ändern kann haben wir nun alle miterlebt. Dies zeigt uns, wie wichtig es auch zukünftig ist, flexibel zu bleiben. Den Markt nicht als Gegeben hinzunehmen, sondern ständig zu analysieren was gefragt ist und wie das eigene Business darauf reagieren kann. So haben zum Beispiel die Matte Brennerei in Bern aber auch ein grosse Bierbrauerei ihre Produktion von Bier und Gin auf Desinfektionsmittel umgestellt und so die rückläufige Nachfrage aufgefangen. Schneiderateliers machen stylische Masken und Autohersteller bauen Beatmungsgeräte. Nun, Hotels haben es da schon schwieriger sich der Situation anzupassen, aber vielleicht gibt es ja bald Angebote für gestresste Eltern oder Grosseltern, die dem Koller zuhause in einer schönen Suite mit allen Annehmlichkeiten entfliehen möchten. Ferien in der eigenen Stadt!

Fazit: Wer flexibel ist und die Nachfrage richtig antizipiert wird so schnell keine Arbeit verlieren.

Entschleunigung

Wir erleben nun auch, wie extrem dicht und überfüllt unser Leben war, privat und geschäftlich. Auch hier wird sich wohl ein Mittelwert einpendeln. Einfach zurück zum Status Quo werden wohl die wenigsten wollen, es geht auch wenn wir einen Gang runter schalten. Womöglich sind wir so am Ende noch effizienter als vorher.

Die neue Realität nach Corona

Umwelt

Es ist klar, dass wir nicht einfach zum alten Leben zurückkehren werden, als wäre nichts passiert. Wir erleben jetzt neben vielen Unannehmlichkeiten auch vieles, was uns gefällt, was wir vorher nicht für möglich gehalten hätten und gern beibehalten würden. Sei es die Zeit, die wir sparen beim Pendeln oder die saubere Luft die schon nach einem Monat sichtbar wurde. So könnte unsere Realität aussehen, wenn wir auf Elektroautos umsteigen, wir weniger Reisen und mehr Homeoffice machen. Tatsächlich sehen wir schon jetzt, dass einer Studie zufolge jede*r Zweite in Erwägung zieht, ein Elektrofahrzeug zu kaufen. Wir haben aufgehört zu fliegen und werden hoffentlich auch nach dieser Zeit unser Verhalten hinterfragen und damit die Umwelt und ihre knappen Ressourcen entlasten.

Hier empfehle ich gerne den Artikel von Christian Hirsig: "Verzicht als Heilmittel in Krisen"
Auch der Artikel in der Netzwoche über die Chancen der Digitalisierung für die Umwelt ist interessant.

Bild: NASA

Finanzsystem

Auch unser Finanzsystem offenbart seine Schwächen und wird sich grundlegend verändern. Viele fangen an zu verstehen, dass Regierungen beliebig Geld drucken können (quantitative easing) und das veraltete Fiat System langsam aber sicher durch digitale Lösungen wie dezentralisierte Kryptowährungen à la Bitcoin oder Blockchain basierte Tools abgelöst werden. Die Kontrolle über das eigene Vermögen kann nun in die eigene Hand genommen werden, ohne dass Regierungen oder Zentralbanken darauf Einfluss nehmen können. 

Grundeinkommen

Viele erkennen nun auch, was der Vorteil von einem Grundeinkommen wirklich bedeutet und wie viel Aufwand und Massnahmen wir uns mit einem bedingungslosen Grundeinkommen erspart hätten. Immer mehr Staaten werden, wie zuletzt Spanien, diese Vorteile erkennen und eine Art Grundeinkommen einführen. Es besteht also Hoffnung, dass wir nach dieser Krise eine bessere Gesellschaft und eine bessere Welt haben werden.

Kontrolle

Natürlich müssen wir aufpassen, dass die einschränkenden Massnahmen und die Überwachung durch Regierungen wieder aufhören wenn sie nicht mehr nötig sind. Viele Regierungen werden Krisen nutzen, um mehr Macht und Kontrolle zu erlangen, die sie danach nur ungern wieder abgeben.

Fazit

Es ist schön zu sehen, dass unsere Gesellschaft im Stande ist, in dieser schwierigen Zeit zusammen zu stehen und sich solidarisch zeigt. Diese Solidarität sollte aber nicht nur für unsere Nächsten gelten, sondern auch den Menschen in Not welche nicht das Glück hatten, in vergleichsweise sicheren Ländern wie der Schweiz leben zu können. Wenn wir die jetzt freigesetzte Kreativität und Solidarität nutzen um unsere Geschäfte zu retten, dann sollten wir uns auch Gedanken machen, wie wir als globale Gemeinschaft auf diesem Planeten in Zukunft zusammen leben wollen.


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