Guidelines fürs Testen von Accessibility
Da wir bei Apps with love die Barrierefreiheit einiger digitaler Produkte getestet haben, verfügen wir über einen grossen Erfahrungsschatz, der uns einige hilfreiche Tipps ermöglicht:
Bestimme die grundlegenden Merkmale deiner Applikation
Betriebssysteme: Lösungen für Barrierefreiheit können sich z.B. zwischen Android und iOS unterscheiden - unterstützende Apps sowie Accessibility-Tools sind möglicherweise nur für eine bestimmte Plattform oder begrenzte (neueste) Systemversionen verfügbar
Desktop vs. mobile Anwendung: Dies beeinflusst die Testmethoden und -techniken stark, da es die Verwendung von Betriebssystemen, Bildschirmgrössen, möglichen unterstützenden Technologien, Hilfsmittel, Bildschirmnavigation usw. bestimmt. Aus diesem Grund werden einige der Accessibility Kriterien auf dem Desktop erfüllt, aber nicht auf der mobilen Anwendung und umgekehrt.
Web vs. native Anwendung: Bestimmt Themen wie mögliche unterstützende Technologien oder Bildschirmnavigation. Zum Beispiel könnten einige der Navigationslösungen für eine mobile Plattform für eine native App verfügbar sein, aber nicht für die andere. Es kann auch die Frage der Konsistenz der App zwischen verschiedenen Betriebssystemen beeinflussen.
Geräte, auf denen die App verwendet werden soll: Dies bestimmt u.a. Bildschirmgrössen und unterstützende Technologien (z.B. ob das Gerät mit Bluetooth oder einer USB-basierten Tastatur verbunden werden kann).
Zielgruppe deiner App: Das Produkt, seine Kompatibilität mit unterstützenden Technologien, die Navigation usw. müssen an die Bedürfnisse der Enduser*innen angepasst werden, wobei verschiedene Arten von Behinderungen zu berücksichtigen sind.
Ziel der App: Die Hauptfunktionalitäten der Applikation beeinflussen die Art und Weise, wie Nutzer*innen mit der App interagieren. Die Analyse von Nutzungszenarien kann Erkenntnisse über mögliche Schwachstellen und den Bedarf an zusätzlicher Unterstützung für die User*innen liefern.
Um Barrierefreiheit testen zu können, müssen diese grundlegenden Fragen beantwortet werden, da sie den gesamten Prüfprozess bestimmen. Einige der Anforderungen sind so gestaltet, dass sie nur für bestimmte Arten von Anwendungen gelten und für andere nicht relevant sind.
Kenne deine Anforderungen
Es ist immer eine gute Idee, sich an die offizielle Informationsquelle für die definierten Anforderungen zu wenden. Das Lesen von spezifischen Kriterien reicht aber möglicherweise nicht aus, um diese im Testprozess direkt anwenden zu können. Je nach Komplexität der Anforderungen benötigt eine QA möglicherweise zusätzliche Unterstützung, um sie richtig zu interpretieren und im Testprozess anzuwenden. Es gibt verschiedene Quellen für praktisches Wissen, wie z. B. Interpretationen von Accessibility Anforderungen und Beispiele, die sehr hilfreich sein können, um diese gründlich zu verstehen.
Solche Beispiele und ausführliche Erläuterungen werden beispielsweise auf der W3C Website aufgeführt. Für das Kriterium 1.3.4 «Orientierung» werden zum Beispiel folgende Informationen gegeben:
Definition: Der Inhalt ist nicht auf eine einzige Bildschirmausrichtung, wie Hoch- oder Querformat, beschränkt, es sei denn, eine bestimmte Bildschirmausrichtung ist unerlässlich.
Dazu kommen ausführlichere Erläuterung des Kriteriums, einschliesslich des Ziels (Geräte können in jeder Ausrichtung verwendet werden), was zu tun ist (Inhalte dürfen nicht auf die Darstellung im Hoch- oder Querformat festgelegt werden) und was wichtig ist (Personen könnten Geräte mit einer fixen Ausrichtung montiert haben, bspw. Personen im Rollstuhl).
Ausserdem werden die Intention des Kriteriums, die Vorteile (Nutzende mit Sehschwäche können Inhalte in der für sie optimalen Ausrichtung ansehen), Beispiele für die Umsetzung (eine eReader-Web-App kann den Inhalt eines Buches sowohl im Hoch- als auch im Querformat anzeigen) und Testregeln beschrieben.
Ein separater Link führt zu einer Seite mit Beispielen für die erfolgreiche und misslungene Umsetzung dieses Kriteriums.
Am Ende dieses Blogposts befinden sich Websites, die einen Einblick in die verschiedenen Accessibility Kriterien geben.
Eine zweite Meinung einholen
Es gibt ein Sprichwort (möglicherweise stammt es von Konfuzius): «Wer fragt ist ein Narr für eine Minute. Wer nicht fragt, ist ein Narr sein Leben lang.» Dies gilt insbesondere, für den Qualitätssicherungsprozess eines digitalen Produkts und ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die Einhaltung der Accessibility Kriterien zu prüfen. Aufgrund der Komplexität und des universellen Charakters der Vorschriften können Tester*innen oft nicht sicher sein, ob eine Anwendung ein spezifisches Kriterium erfüllt oder ob die Anforderung überhaupt relevant oder auf das betreffende Produkt anwendbar ist.
Einige Accessibility Kriterien werden dem Design- oder Entwicklungsteam besser bekannt sein, weil sie schon früh im Entwicklungsprozess in die App integriert wurden und aus einer «Blackbox-Perspektive» (wenn man nur das User Interface der App, nicht aber den Code anschaut) manchmal schwer zu erkennen sind. Natürlich kann es nie schaden, sich mit anderen QAs auszutauschen. Jede Person versteht die Anforderungen vielleicht ein wenig anders. Das kann zu einer unterschiedlichen Bewertung führen, ob ein Kriterium von der Applikation erfüllt wird oder nicht. Die Etablierung eines gemeinsamen Verständnisses der spezifischen Anforderungen durch verschiedene Tester*innen kann die Qualität der Testergebnisse erheblich verbessern.
Die beste Möglichkeit, ein digitales Produkt auf Barrierefreiheit zu testen, ist natürlich Nutzende, die tatsächlich auf die korrekte Umsetzung von Accessibility Kriterien angewiesen sind, in den Prozess miteinzubeziehen.