UX-Writing: Guidelines für gute UX-Texte

07. Februar 2023 - von Maya Walther

Im letzten Blog über UX-Writing habe ich erklärt, was UX-Writing und Microcopy ist, warum optimierte Microcopy essenziell für die UX ist und zu höheren Conversions und zufriedenen User*innen führen kann.

Aber worauf sollte man achtgeben beim Schreiben von Microcopy? Was sind die wichtigsten Guidelines und wie entsteht gute Microcopy im Zusammenspiel mit Konzept, Design und Entwicklung? Dies erläutere ich in diesem Blog.

Warum ist UX-Writing (noch) eine Herausforderung?

Noch ist UX-Writing eine verhältnismässig junge Disziplin. Dementsprechend wird der Microcopy im Design- und Entwicklungsprozess digitaler Produkte oftmals zu wenig Beachtung geschenkt und die Wichtigkeit derselben wird unterschätzt. Dies mag auch daran liegen, dass Text für die allermeisten Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, während Design und der Aufbau eines User Interfaces etwas ist, das offensichtlich spezielle Expertise und Tools erfordert. Dies kann dazu führen, dass die Komplexität und erforderlichen Erfahrungen und Kenntnisse für die Definition der optimalen Microcopy unterschätzt werden und das rein visuelle Design im Vergleich dazu (zu) stark gewichtet wird.

Dementsprechend ist es auch nicht erstaunlich, dass häufig (noch) nicht klar ist, wie UX-Writing sinnvoll im Entwicklungsprozess integriert werden kann. Es fehlt an erprobten Workflows und teilweise auch an geeigneten Tools.
Realer Content wird oft erst spät im Prozess in das bestehende Design eingepflegt und wird erst dann - wenn überhaupt - genauer überprüft und “passend gemacht”. Für die gesamte UX ist dies oftmals nicht die beste Variante. Lorem ipsum ist in Entwürfen zwar praktisch, um einen Eindruck zu erhalten, wie ein Screen aussehen könnte. Werden die finalen Inhalte aber erst am Schluss eingepflegt, kann es gut sein, dass man plötzlich merkt, dass diese nicht ins sonstige Konzept passen und Anpassungen am Design hilfreich wären.
Deshalb ist es wichtig, dass UX-Writer*innen schon früh in den Entwicklungsprozess eines digitalen Produktes involviert werden. Indem schon früh ein Augenmerk auf benötigte oder eben nicht benötigte Texte im Kontext des UIs gelegt wird, wird die UX konsistenter und man kann sich im Nachhinein Aufwände für allfällige Anpassungen sparen.

Die positiven Effekte von UX-Writing müssen sichtbarer gemacht werden, um das Verständnis für die Wichtigkeit dieser Disziplin zu stärken - ganz ähnlich wie dies auch bei User Testings und User Research vor einigen Jahren noch der Fall war.

Die wichtigsten Prinzipien fürs UX-Writing

Drei Wörter, die einem im Zusammenhang mit UX-Writing in Büchern, Blogs und Talks zum Thema immer wieder begegnen, sind: clear, concise, useful - eindeutig, prägnant, hilfreich. Diese können als Leitlinie verstanden werden, die man sich beim Schreiben von Microcopy immer vor Augen halten sollte. Illustrieren möchte ich dies anhand eines Beispiels aus der Google I/O Keynote von 2017.

Eindeutig - Clear

Benutze Wörter, die für die User*innen verständlich sind. Wer selber im Entwicklungsprozess eines digitalen Produktes involviert ist, verfügt vermutlich über einen Wortschatz mit Fachbegriffen, die nicht allen Nutzerinnen bekannt sein dürften. Eindeutige Wortwahl bedeutet nicht unbedingt, das fachlich präziseste Wort zu benutzen, sondern gerade so viel Kontext zu geben, damit es für durchschnittliche User*innen Sinn ergibt. Natürlich kommt es hier auf die Zielgruppe und den Anwendungsfall an, ob Fachjargon angebracht ist oder nicht.

Beispiel einer Fehlermeldung: Original vs. überarbeitete eideutige Variante

Um eindeutige Formulierungen zu erreichen, hilft es ausserdem, auf die Handlung der User*innen zu fokussieren. In der Regel eignen sich aktive Sätze besser als passive und direkte Anrede besser als unpersönliche Formulierungen mit “man”.

Prägnant - Concise

Jedes Wort auf dem Screen sollte eine bestimmte Aufgabe haben. Oftmals gibt es eine Menge überflüssiger Überschriften, Untertitel oder ähnliche Elemente, unter anderem weil das Design ein bereits vorhandenes Textfeld zeigt, welches dann noch mit Text befüllt werden soll. Wird ein “Content first” Ansatz verfolgt, passiert dies weniger. Visuelle Elemente werden dann auf das zugeschnitten, was man sagen will und nicht umgekehrt. 

Da Menschen Texte auf Bildschirmen oftmals scannen und Teile überspringen, hilft es, das Wichtigste an erste Stelle zu setzen (Frontloading).
Ausserdem besteht oft limitierter Platz für Text. Benutze kurze Sätze, kurze Abschnitte und Aufzählungszeichen für bessere Scanbarkeit. Eine Faustregel besagt, dass Menschen es einfacher finden, einen Text zu lesen, wenn er 40 oder weniger Zeichen breit und drei oder weniger Zeilen lang ist. Der Prozess, einen Text prägnanter zu machen, besteht demnach oft darin, ihn zu kürzen. Dazu gehört auch die Verwendung von Ziffern statt Zahlwörtern (4 statt vier).

Überarbeitete Fehlermeldung, klar und prägnant

Hilfreich - Useful

Gutes UX-Writing führt Menschen zum nächsten Schritt und ist hilfreich. Ein Text, der zwar eindeutig und prägnant ist, ist noch nicht unbedingt hilfreich. Im gezeigten Beispiel wird den User*innen keinen wirklichen Ausweg aus ihrer “unglücklichen Situation” geboten. Deshalb wird die Microcopy mit zwei Optionen ergänzt, welche die User*innen Hilfestellung leisten und sie im Anmeldeprozess weiterleiten.

Überarbeitete Fehlermeldung, eindeutig, prägnant und hilfreich

Die drei Prinzipien lassen sich nicht immer gut miteinander vereinen und konkurrenzieren gewissermassen miteinander. Wichtig ist es, die richtige Balance zwischen den Grundsätzen zu finden. Dabei können die Brand Voice und Conversational Writing helfen.

Brand Voice

Wenn man nicht sicher ist, ob man die richtige Balance zwischen eindeutiger, prägnanter und hilfreicher Wortwahl gefunden hat, sollte die (optimalerweise im Vorfeld) definierte Brand Voice helfen.

Brand Voice, die Markenstimme, drückt die Persönlichkeit, Werte und Positionierung einer Marke oder eines Unternehmens aus und definiert, wie mit Kund*innen oder eben User*innen kommuniziert wird. Die Markenstimme verschafft Wiedererkennungswert, Vertrauen bei der Zielgruppe und hilft, die Kundenbindung zu stärken. Brand Voice sollte konsistent über alle Kommunikationskanäle verwendet werden und dadurch für einen einheitlichen Auftritt sorgen. Eine gut definierte Brand Voice dient dementsprechend auch im UX-Writing als “Wegweiser” beim Formulieren von Microcopy.

Um dies zu illustrieren, komme ich erneut auf das oben erwähnte Beispiel von Google zurück. “Wrong password” mit den Optionen “Try again” und “Recover password” ist zwar eindeutig, prägnant und hilfreich - es entspricht jedoch nicht wirklich Google’s Brand Voice. Google’s Brand Voice - zumindest zum Zeitpunkt dieser Keynote - orientiert sich an der Google Suche. Diese ist ein alltägliches Tool und nutzt deshalb alltägliche, freundliche und optimistische Sprache. Ausserdem ist die Suche clever, aber nicht zu clever, sodass sie für alle zugänglich bleibt. Das widerspiegelt sich entsprechend in der Brand Voice und somit auch im UX-Writing.
“Wrong password” würde dementsprechend adaptiert in etwas wie “That password doesn’t look right” - freundlich, optimistisch (es wird nicht mit dem Wort “wrong” gestartet) und clever, aber trotzdem alltäglich.

Es wird ersichtlich, dass das Einbringen von Brand Voice zwar Texte wieder länger und gegebenenfalls etwas weniger prägnant machen kann, dafür verleiht man einem Produkt Wiedererkennungswert und Freundlichkeit.

Conversational Writing

Um ein digitales Produkt einfacher und effizienter bedienbar zu machen, kann es helfen, sich die Grundsätze des Conversational Writing bewusst zu machen. Denn: Grundsätzlich ist der Umgang mit Maschinen, in unserem Fall also mit Computern, Smartphones und Ähnlichem etwas Unnatürliches. Um ein Gefühl von Sicherheit und Verständlichkeit zu vermitteln - was für eine gute UX essenziell ist - muss also die Mensch-Maschine-Schnittstelle oder das Human-Machine-Interface (HMI) so gestaltet werden, dass es sich natürlich anfühlt, mit “der Maschine” zu interagieren. Informationen wie Wörter in Buttons, Links, etc. sollten dementsprechend wie in einer angemessenen, natürlichen Konversation vermittelt werden.
Dazu kann es helfen, Texte auf einem Interface laut vorzulesen, um zu sehen, ob es sich nach einer Konversation anfühlt.

Vorher - Nachher Beispiele

Im Folgenden zeige ich ein paar Beispiele, die veranschaulichen, inwiefern UX-Writing ein User Interface einfach verständlicher und eindeutiger machen kann und somit den User*innen eine bessere UX bietet.

Denner App Login Screen vor und nach UX-Writing mit Kommentare
Denner App Onboarding Screen vor und nach UX-Writing mit Kommentaren
Vorher - Nachher Beispiele aus der Denner App
Beispiele einer guten und einer schlechten Fehlermeldung mit Kommentaren
Beispiel worauf bei einer Fehlermeldung geachtet werden sollte. Quelle "When life gives you lemons, write better error messages" von Wix
Beispiel von gutem und schlechtem Button Design
Beispiele von Buttons mit und ohne Verben
Button mit erklärendem Text vs. ohne erklärenden Text
Beispiele worauf beim Design und der Beschriftung von Buttons geachtet werden sollte. Quelle "Designing the perfect button" von Wix

Key Takeaways

UX-Writing ist keine exakte Wissenschaft und es lässt sich nicht immer eindeutig sagen, was besser funktionieren wird. Im Optimalfall können mit A/B Tests verschiedene Versionen getestet werden. Auch in User Testings können wichtige Erkenntnisse über Microcopy und deren Verständlichkeit gesammelt werden. Nichtsdestotrotz helfen die oben ausgeführten Leitlinien, beim Optimieren von Texten.

  • Fokus auf die User*innen, respektive die Zielgruppe

  • Microcopy soll klar, eindeutig und hilfreich sein

  • Brand Voice dient als Orientierungshilfe. Falls es noch keine Brand Voice gibt, sollte diese vor dem UX-Writing Prozess definiert werden.

Microcopy ist zwar kurz, trotzdem ist sie häufig nicht schnell geschrieben. Es bedarf mehreren Korrekturschlaufen und einem engen Austausch zwischen UX-Writer*innen und Designteam, um zu einer passenden Lösung zu gelangen. Da Microcopy die gesamte UX massgeblich beeinflusst, ist es wichtig, diese im Kontext des Designs zu editieren, da Texte unterschiedlich gelesen und verstanden werden, je nachdem wo auf dem Screen sie stehen.

Gute Microcopy leitet User*innen durch ein digitales Produkt, gibt ihnen Hilfestellung, baut Hürden ab und führt sie zum Ziel. Sie ist eindeutig, prägnant und hilfreich - während gleichzeitig die Brand Voice der jeweiligen Marke berücksichtigt wird. Sie führt zu einer besseren UX, geringerer Frustration bei den User*innen, höheren Conversions und besserer Retention. Es ist deshalb wichtig, UX-Writing im gesamten Konzeptions- und Designprozess nicht zu vernachlässigen.

Welche Texte in digitalen Produkten am besten funktionieren, lässt sich jedoch auch bei der “Befolgung” dieser Grundprinzipien nicht unbedingt vorhersagen. Am besten wird die Zielgruppe mittels User Research und Testings in den Entwicklungsprozess miteinbezogen und unterschiedliche (Text-)Varianten werden getestet.

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